Probenvorbehandlung
Karton und Papier
Die Vorbehandlung von Karton- und Papierproben zur Mikroplastikanalyse umfasst den Abbau organischer Bestandteile wie Zellulose unter gleichzeitiger Erhaltung der Mikroplastikpartikel. Zur oxidativen Zersetzung der organischen Matrix wird häufig Wasserstoffperoxid (H₂O₂) eingesetzt, unterstützt durch eine Säureverdauung. Alternativ kann auch eine enzymatische Verdauung mit Cellulase erfolgen, um die organische Matrix effektiv zu entfernen, ohne die verbliebenen Mikroplastikpartikel zu beschädigen. In einigen Fällen ist zusätzlich eine Dichtetrennung mit einer Zinkchlorid-(ZnCl₂)-Lösung mit einer Dichte von 1,6–1,7 g/cm³ erforderlich, um Mikroplastik von dichteren, anorganischen Bestandteilen der Probe zu isolieren. Nach der Vorbehandlung wird die Probe filtriert, um die Mikroplastikpartikel für die weitere Analyse zurückzugewinnen.Biologisch abbaubare Materialien
Je nach Zusammensetzung des biologisch abbaubaren Produkts kann die Matrix durch Wasserstoffperoxid (H₂O₂), gegebenenfalls in Kombination mit einer Säureverdauung, ausreichend aufgeschlossen werden. Alternativ kann Natriumhypochlorit (NaClO) eingesetzt werden, was jedoch mit der Zersetzung von PET und PA einhergehen kann. Andernfalls kann eine enzymatische Verdauung durchgeführt werden. Bei einem relativ hohen Gehalt an anorganischen Bestandteilen wird eine Dichtetrennung mit einer ZnCl₂-Salzlösung entsprechender Dichte angewendet.
Spektrenerfassung
Die Proben werden mittels Raman-Mikrospektroskopie innerhalb eines repräsentativen Teilbereichs analysiert, der durch die räumliche Nachweisgrenze (Partikelgrößengrenze) definiert ist. Jede Probe wird 12–24 Stunden lang automatisiert ramanmikrospektroskopisch untersucht, wobei spektrale und morphologische Daten für zehntausende Einzelpartikel erzeugt werden. Die Raman-Messungen erfolgen bei 20 °C mit einem Horiba LabRAM Soleil (Jobin Yvon, Frankreich). Die Proben werden mit 8 % (7,2 mW) Leistungsausgabe eines hochstabilen, luftgekühlten He–Cd 532 nm Laserdiodensystems und einem Nikon LV-NUd5 100× Objektiv angeregt. Der unpolarisierte konfokale Laserstrahl liefert eine laterale Auflösung von ca. 1 µm. Die Spektren werden im Bereich von 200–3400 cm⁻¹ mit einem Gitter von 600 Linien/cm und einem Spalt von 100 µm aufgenommen, wobei eine spektrale Auflösung von ca. 1 cm⁻¹ erreicht wird. Die Partikelanalyse innerhalb jedes Mosaiks, das mit der LabSpec6 (LS6) SmartView-Konfiguration erstellt wurde, erfolgt mithilfe der Anwendung „Particle Finder V2“. LS6 SmartView erfasst die Topografie (±50 µm), speichert die Fokuspunkte aller Partikel im Mikrofoto und ermöglicht ein schnelles Nachfokussieren auf relevante Partikel.
Spektrale Zuordnung und VerifizierungMit der Spektralanalysesoftware Spectragryph V1.2.17d (Dr. Friedrich Menges SoftwareEntwicklung, www.effemm2.de/spectragryph) werden die Rohspektren mit einer adaptiven Basislinienkorrektur (15 % Grobkörnigkeit) verarbeitet. Die verarbeiteten Spektren werden über ihren gesamten Spektralbereich mit einer hausinternen Bibliothek abgeglichen, die ausgewählte Spektren aus den SLoPP- und SLoPP-E-Bibliotheken (Munno et al., 2020) sowie der Cabernard-Bibliothek (Cabernard et al., 2018) enthält und durch selbst erhobene Referenzspektren ergänzt wird. Die Übereinstimmungen werden anhand des Hit Quality Index (HQI) bewertet, der von 0 bis 100 % reicht. Spektren mit einem HQI-Wert über 65 % werden als Mikroplastik-Kandidaten klassifiziert und durch geschulte Fachpersonen manuell überprüft und validiert.
Korrektur von falsch-positiven Ergebnissen (unbeabsichtigt aufgeteilte Partikel)Aufgrund des rahmenweisen Erfassungsprozesses, der für präzise Raman-Messungen von Mikroplastikpartikeln bis zu 1 µm erforderlich ist, werden Partikel an den Rändern eines Bildausschnitts (Edge-Particles) häufig aufgeteilt und fälschlicherweise als mehrere Partikel erkannt. Bei der aktuellen mikroskopischen Auflösung misst jeder Bildausschnitt 60 × 40 µm, was zu einer Überschätzung kleinerer Fraktionen und einer Unterschätzung größerer Partikel führt. Obwohl die LS6 Particle Finder-Anwendung eine Option zum Ausschluss von Randpartikeln bietet, entfernt dieser Ansatz überproportional viele größere Partikel, da diese häufiger den Bildrand schneiden, was zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Mikroplastikkonzentration führt. Um dem entgegenzuwirken, wurde ein benutzerdefiniertes Skript (Microplastic Solution, Frankreich) zur verbesserten Daten-Nachverarbeitung entwickelt, das unbeabsichtigt aufgeteilte Mikroplastikpartikel zusammenführt. Obwohl der Code aus kommerziellen Gründen nicht veröffentlicht werden kann, sind seine Hauptfunktionen offengelegt. Das Skript berechnet den Abstand zwischen Partikeln desselben Polymertyps, um Überlappungen zu identifizieren, die definiert sind als Abstände zwischen Partikelzentren, die kleiner sind als die Hauptachse eines der Partikel. Überlappende Partikel werden gruppiert, wobei das Partikel mit dem höchsten spektralen HQI-Wert als „Leader“ festgelegt wird. Der Index des Leaders definiert das neue, zusammengeführte Partikel, das die kumulierte Fläche der Gruppe übernimmt, während die übrigen Partikel verworfen werden. Der Durchmesser des zusammengeführten Partikels wird als flächenäquivalenter Durchmesser unter der Annahme einer kreisförmigen Form berechnet.
Negative und positive Qualitätskontrollen Leerprobenkontrolle und KorrekturZur Gewährleistung verlässlicher Ergebnisse wird ein Verfahren mit Leerprobe durchgeführt, um Kontaminationen während der Probenvorbehandlung zu schätzen und zu korrigieren. Eine kontaminationsfreie Lösung wird hergestellt und gemäß dem gleichen Protokoll wie die eigentlichen Proben behandelt. Während der Analyse werden in der Leerprobe nachgewiesene Partikel hinsichtlich Polymertyp und Größe genau charakterisiert. Die Leerprobenkorrektur erfolgt durch den Vergleich der Mikroplastikpartikel in der Hauptprobe mit denen in der Leerprobe. Partikel werden als „gepaart“ betrachtet, wenn sie denselben Polymertyp aufweisen und ihre Größen innerhalb eines definierten Bereichs liegen. Nach dem Pairing wird das entsprechende Partikel in der Hauptprobe subtrahiert und das passende Leerprobenpartikel aus weiteren Korrekturen ausgeschlossen. Dieses Verfahren stellt sicher, dass prozedurale Kontaminationen korrekt berücksichtigt werden, ohne deren Einfluss zu überschätzen. Die Korrektur wird einheitlich auf alle Proben angewendet, wobei gleich große Filterbereiche analysiert werden, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Sowohl Leerproben-korrigierte als auch nicht-korrigierte Daten werden bereitgestellt.
Wiederfindungskontrolle und -korrekturZur Berücksichtigung unbeabsichtigter Verluste von Mikroplastik während der Probenvorbehandlung wird ein Wiederfindungsexperiment durchgeführt, bei dem EasyMP™-Fragmente aus rotem Polyethylen (PE) (Microplastic Solution, Frankreich) eingesetzt werden. Bekannte Mengen dieser umweltrelevanten Fragmente werden den Testproben zugesetzt, welche dann nach dem gleichen Protokoll wie die eigentlichen Proben verarbeitet werden. Nach der Verarbeitung wird die verbleibende Anzahl der zugesetzten Mikroplastikpartikel ermittelt, um die analytische Wiederfindungsrate zu berechnen. EasyMP™-Fragmente ermöglichen eine Beurteilung der Wiederfindung über verschiedene Größenbereiche hinweg und geben Aufschluss über Trends wie eine geringere Wiederfindung größerer Partikel und in manchen Fällen eine überdurchschnittliche Wiederfindung kleinerer Partikel, was möglicherweise auf Fragmentierung während der Vorbehandlung zurückzuführen ist. Basierend auf den Ergebnissen wird ein mathematisches Modell entwickelt, das die Beziehung zwischen Partikelgröße und Wiederfindungsrate beschreibt. Dieses Modell wird anschließend auf alle detektierten Mikroplastikpartikel in den jeweiligen Größenklassen angewendet, um eine korrekte Quantifizierung der Mikroplastik in den verarbeiteten Proben sicherzustellen.
Mikroplastikanalyse: Verpackungsartikel
Der Versand der Proben an unsere Einrichtung erfolgt auf eigene Kosten. Das erforderliche Probenvolumen hängt von der räumlichen Nachweisgrenze (LOD) ab, die den Grenzwert für die Partikelgröße für die Analyse definiert. Kleinere Partikelgrößen erfordern in der Regel größere Probenvolumina, um ausreichend Material für eine zuverlässige Detektion und Quantifizierung sicherzustellen. Spezifische Empfehlungen zum Probenvolumen werden nach Rücksprache erteilt, um den analytischen Anforderungen gerecht zu werden.
Durch enzymatische Verdauung (Cellulase):
- PE (Polyethylen)
- PP (Polypropylen)
- PVC (Polyvinylchlorid)
- PET (Polyethylenterephthalat)
- PUR (Polyurethan)
- PS (Polystyrol)
- PA6 (Polyamid 6)
- PA6,6 (Polyamid 6,6)
- PMMA (Polymethylmethacrylat)
- PC (Polycarbonat)
- CA (Celluloseacetat)
- PLA (Polymilchsäure)
- PTFE (Polytetrafluorethylen)
- PVDF (Polyvinylidenfluorid
- POM (Polyoxymethylen)
- PI (Polyisopren)
- PBT (Polybutylenterephthalat)
- SPA (Natriumpolyacrylat)
- PBS (Polybutylensuccinat)
- PBAT (Polybutylenadipat-terephthalat)
- PHB (Polyhydroxybutyrat)
- PVA (Polyvinylalkohol)
- PSU (Polysulfon)
- PAN (Polyacrylnitril)
Durch oxidative Behandlung:
- PE (Polyethylen)
- PP (Polypropylen)
- PVC (Polyvinylchlorid)
- PET (Polyethylenterephthalat)*
- PUR (Polyurethan)
- PS (Polystyrol)
- PA6 (Polyamid 6)*
- PA6,6 (Polyamid 6,6)*
- PMMA (Polymethylmethacrylat)
- PC (Polycarbonat)
- PTFE (Polytetrafluorethylen)
- PVDF (Polyvinylidenfluorid
- POM (Polyoxymethylen)
- PI (Polyisopren)
- PBT (Polybutylenterephthalat)
- SPA (Natriumpolyacrylat)
- PVA (Polyvinylalkohol)
- PSU (Polysulfon)
- PAN (Polyacrylnitril)
*Wird durch NaClO, aber nicht durch H2O2 gelöst.


